Impressionen aus Zentralamerika 2020 |
Alle Jahre wieder im Februar treffen sich die vier Kirchen, die zur Gemeinschaft der lutherischen Kirchen in Zentralamerika (CILCA) gehören: Zum Austausch ihrer Erfahrungen und zur Planung gemeinsamer Projekte. Dieses Jahr war es in vielerlei Hinsicht ein besonderes Treffen: Es kamen nicht nur die leitenden Geistlichen zusammen, sondern es wurde eine Versammlung abgehalten, zu der je drei Repräsentant/innen der Kirchen eingeladen wurden. Grund dafür waren die wichtigen Entscheidungen, die zu treffen waren: Es wurde über die Aufnahme von zwei neuen Kirchen abgestimmt. Einstimmig wurden die ILUGUA (Iglesia Luterana Guatemalteca, Lutherische Kirche Guatemalas) und die ILAG (Iglesia Luterana Agustina de Guatemala, Augustinische Lutherische Kirche von Guatemala) in die CILCA aufgenommen. Beide Kirchen sind Mitglied im LWB
– die ILUGUA seit 2014, https://de.lutheranworld.org/de/content/"Ebrauchen-den-schutz-und-die-hilfe-der-lutherischen-weltgemeinschaft"-21,
– die ILAG seit 2018, https://de.lutheranworld.org/de/content/lwb-neumitglied-augustinische-lutherische-kirche-von-guatemala-21)
Während der Versammlung überraschte Bischof Dr. Medardo Gomez von der Lutherischen Synode in El Salvador (SLS) die Anwesenden mit einer Nachricht: Er wolle sein Amt als Präsident der CILCA, das ihm eigentlich auf Lebenszeit übertragen worden sei, aus Altersgründen abgeben. Auch andere Ämter sollten neu besetzt werden. Die vier leitenden Geistlichen zogen sich zurück, um die Wahl zu vollziehen. Die zurückgebliebenen Versammlungsteilnehmenden warteten voller Spannung auf das Ergebnis und freuten sich, zwischendurch mehrfach Applaus zu hören. Schließlich gab Bischof Gomez bekannt: Neuer Präsident ist Kirchenpräsident Rolando Ortez aus Honduras, als Exekutivsekretärin löst Pfrin Katia Cortez aus Nicaragua ihre Mutter Bischöfin Dr. Victoria Cortez ab und neue Frauenbeauftragte wird Pfrin Arisbé Gómez aus El Salvador statt ihrer Mutter Abelina de Gómez.
Nach der CILCA-Versammlung konnte ich noch durch Zentralamerika reisen und bin dabei immer wieder auf Spuren der Döbrichstiftung gestoßen:
In El Salvador haben wir uns mit drei jungen Mitarbeitenden des Kommunikationsnetzes der Kirche getroffen. Eine davon, Aurora Menjivar, studiert unterstützt von der Döbrichstiftung Kommunikationswissenschaften. Um die Kontakte in die Gemeinden zu verstärken und in den Mikroregionen jeweils vor Ort in den Kommunikationsmedien präsent zu sein, hat die SLS 80 Jugendliche im Bereich Kommunikation ausgebildet. Sie berichten mit Fotos, Filmen, Radiobeiträgen oder schriftlich auf den verschiedensten Kanälen über die Arbeit der Kirche vor Ort. Wichtige Themen der jungen Journalist/innen sind Umweltschutz, Präventionsarbeit zur Migration und Sexualerziehung. Die Jugendlichen sind ganz nah am Puls der Zeit und gut mit den lokalen Medien vernetzt.
In Nicaragua war ich beim Betreten der Kirche überrascht, vom vollen Klang einer Band begrüßt zu werden, die seit neuem den Gottesdienst gestaltet. Rhythmische Klänge und kräftige Stimmen machen das Mitsingen leicht. Auch hier wirkt ein Stipendiat der Döbrichstiftung mit.
In Costa Rica habe ich die neue Mentorin der Stipendiat/innen kennengelernt: Miriam Cainicela, eine junge Pfarrerin aus Peru, die als ausgebildete Verwalterin nicht nur im Bereich der Stipendien der Lutherischen Kirche in Costa Rica (ILCO) wertvolle Dienste leistet.
Seit gut einem Jahr hat sich das Gelände der Kirchenzentrale der ILCO grundlegend verändert: Im hinteren Teil steht eine Flüchtlingsunterkunft. In mehreren Zimmern mit Stockbetten sind Einzelpersonen und Familien untergebracht.
„Viele von ihnen wussten nicht, dass sie fliehen müssen, als sie ihr Haus verlassen haben. Einige hatten nicht einmal Schuhe an den Füßen. Sie haben alles zurückgelassen, weil sie ihr bloßes Leben retten mussten.“, erklärt Ruth Quirós, die Leiterin der Herberge. Sie ist nicht nur für das Organisatorische zuständig, sondern begleitet die Menschen auch als ausgebildete Psychotraumatologin. Wie wichtig das ist, wird mir beim Gespräch mit einem jungen Mann aus Nicaragua deutlich. Er zeigt auf eine dicke Narbe auf seiner linken Wange und erzählt: „Hier ist bei einer Demonstration die Kugel wieder ausgetreten, die mich am Mund getroffen hat.“ Er musste für einige Zeit als politischer Gefangener ins Gefängnis. Als er wieder entlassen wurde, konnte er sich nicht daran gewöhnen, Tag und Nacht ein Polizeiauto gegenüber von seinem Zuhause zu sehen. Er floh nach Costa Rica und musste Frau und Kind zurücklassen. Er leidet sehr darunter, dass die Tochter momentan krank ist und er nicht zu ihr kann. Eigentlich ist er ein fröhlicher Mensch, er macht während des Gesprächs verschiedene Witze, aber gleichzeitig bricht immer wieder Traurigkeit und Verzweiflung durch.
Ein anderes Zimmer in der Herberge gehört momentan einer Familie aus Honduras: Schon seit zwei Jahren lebt sie in Costa Rica. Der Vater hatte schnell Arbeit als Fahrer eines Uber gefunden und alles schien in Ordnung- bis ein häufiger Kunde eines Tages verlangte, dass er mit seinem Uber ein Drogenpäckchen ausliefern sollte. Als er sich weigerte und den Kunden bei der Polizei anzeigte, wurde er von der zugehörigen Mara bedroht. Die Polizei gab ihm nur drei Monate lang Personenschutz. Danach suchte er in seiner Angst in der Flüchtlingsherberge Zuflucht. Seine Frau meint: „Als Erwachsener kann man es einmal aushalten, auf der Straße zu schlafen. Aber wegen meiner Kinder bin ich froh, dass wir hier sein dürfen.“
Es mag sein, dass die Arbeit unserer Partnerkirchen prozentual gesehen nur wenige Menschen in Zentralamerika erreicht. Aber für diese Menschen ändert sie das Leben von Grund auf.
Friederike Deeg (siehe auch Revista 20, Seite 10-11)