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Guatemala

 

Guatemala: Ein Land der Gegensätze

Guatemala, zwischen zwei Ozeanen gelegen, ist uraltes Kulturland, wie die noch nicht völlig erforschten Maya-Ruinen zeigen. Die Conquista durch spanische Eroberer fand in Guatemala zwischen 1525 und 1530 statt. Seit 1821 ist das Land unabhängig von der spanischen Krone. Zunächst gehörte es zwei Jahre zum Kaiserreich Mexiko, 1823 bis 1839 war Guatemala Teil der Zentralamerikanischen Konföderation, und erst 1840 gewann es die Unabhängigkeit. Allerdings wurden die Verhältnisse niemals stabil. Immer wieder verhinderten wirtschaftliche Vorteil­nahme, ungerechte Landverteilung und die Intervention militärischer Eliten unter Mitwirkung der USA eine Entwicklung zur Demokratie. 1960 bis1996 wurde Guate­mala durch einen verheerenden Bürger­krieg zwischen Guerillaorganisationen und der Regierung erschüttert, von dem es sich nur schwer erholte. Leidtragende waren hauptsächlich die Indigenen.

Guatemala ist heute der bevölkerungs­reichste Staat in Zentralamerika und zugleich die größte Volkswirtschaft der Region. Es grenzt an Mexiko, Honduras, El Salvador und Belize. Große Naturwaldflächen mit reicher Artenvielfalt stehen unter Natur­schutz, der allerdings häufig missachtet wird. Das Hochland, der Altiplano, geprägt von Vulkanen, aber klimatisch günstig, ist die an der dichtesten besiedelten Region. Das Bevölkerungswachstum ist groß, die Bevöl­kerung durchmischt. Neben den Indigenen leben hier Menschen europäischer, asia­tischer und schwarzafrikanischer Abstam­mung. Es gibt große Armut besonders unter der indigenen Bevölkerungsmehr­heit. Fast die Hälfte der Guatemalteken ist römisch-katholisch, ein Drittel sind Protes­tanten zumeist evangelikaler Ausrichtung.

Bereits seit einigen Jahren waren Gesprä­che im Gange, die guatemaltekischen Lutheraner in die CILCA (Gemeinschaft der Lutherischen Kirchen in Zentralamerika) aufzunehmen. Zu ihr gehören seit 1991 die vier lutherischen Kirchen von Costa Rica, El Salvador, Honduras, Nicaragua und nun – seit 2022 – auch die Lutherisch-Augusti­nische Kirche in Guatemala (ILAG) mit der Kirchenpräsidentin und Pfarrerin Karen Castillo. Mit der CILCA hat die bayerische Landeskirche einen Partnerschaftsvertrag geschlossen und in diesem Jahr erneuert. Seit 1995 besteht zudem ein Dreiervertrag zwischen der CILCA, der Evang.-Luth. Kirche in Bayern und der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien, über den etwa die personelle Entsendung theologischer Mitarbeiter/ innen sowie Hilfsprogramme bei Themen wie Menschenrechtsarbeit oder Nachhal­tigkeit ermöglicht werden.

Ursprünglich als Demokratie geplant, ging die Entwicklung in Guatemala leider immer weiter Richtung Diktatur. Die Korruption blühte, kriminelle Banden terrorisierten das Land, politische Inhaftierungen nah­men zu und schüchterten die Presse ein. Nachdem seit 2011 nur rechtsgerichtete Präsidenten regierten, ist es nun am 20. August 2023 bei der Stichwahl zwischen zwei Kandidaten zu einem überraschenden Ergebnis gekom­men: Sandra Torres, die ehemaligen First Lady und Favoritin der kon­servativen Eliten, unterlag gegen Bernardo Arévalo, der einen Anti- Korruptionskurs und eine sozialere Politik verspricht. Auf ihn setzen viele junge Wähler ihre Hoffnung. Bernardo ist der Sohn von Guatemalas erstem demokratisch gewähl­ten Präsidenten Juan José Arévalo, einem Reformpolitiker, der von 1945 bis 1951 regierte.

Ingrid Keil/Ernst Quester

 

Geschichte der Lutherisch-Augustinischen Kirche in Guatemala

Nach seiner Ordination im September 1962 begann Bischof Horacio einen kirchlichen Dienst für die Menschen mit einer ganz anderen Einstellung, die so anders war, dass viele Mitglieder der Gemeinden ihn als sub­versiv oder kommunistisch bezeichneten. Seine am Evangelium ausgerichtete Arbeit bestand von Anfang an darin - zusam­men mit der Leidenschaft von Pastorin Esther Echeverría für Bildung - Menschen in geistlicher, wirtschaftlicher, sozialer und/oder bildungsbezogener Not umfassend zu unterstützen. Ihr Haus als Zufluchtsort für diese Familien zur Verfügung zu stellen, war eine Selbstver­ständlichkeit. Sie boten nicht nur Unterkunft und Hilfsdienste, sondern auch Essen, Gebet und Trost. 1991 gründeten Horacio und Esther zusammen mit ihren Kindern die Iglesia Luterana Agustina de Guatemala - ILAG.

Die Bevölkerung, die die ILAG begleitet, stammt aus den Randgebieten der guate­maltekischen Gesellschaft, aus verarmten Menschen, Binnenvertriebenen und Flüchtlingen, die nach dem Bürgerkrieg in Guatemala in den 1980er Jahren zurückkehrten, vor allem aus der indigenen Bevölkerung. In ihren Anfängen war die ILAG ein pastoral/soziales Unterstüt­zungsteam auf der Suche nach Würde und sozialer Gerechtig­keit. Ziel war es, die Entwicklung von Brüdern und Schwestern zu fördern, die in den Randgebieten von Guatemala-Stadt leben, und sie in ihrem Kampf um das Land zu unterstützen, auf dem sie leben und das ihnen gehört.

Seit ihrer Gründung hat sich die ILAG auf sechs Handlungs­felder konzentriert: Gemeindliche Leitung, Bildung, Frauenar­beit, Jugend, Gesundheit und Kinder. In jeder Gemeinde, die der ILAG beitreten wollte, wurden Programme durchgeführt, um die Stärkung des Gemeindelebens zu bewirken. In diesem ganzheitlichen Kontext von Entwicklungsprogrammen wurden Schulen eingerichtet, angefangen mit einer ILAG-Grundschule in der Gemeinde La Isla Zone 13 im Jahr 1993. Eine weitere Grundschule wurde 1996 in der Gemeinde El Mirador, Boca del Monte gegründet. Aufgrund von Sicherheitsproblemen und Landrechtsstreitigkeiten musste die Schule in La Isla 2005 geschlossen werden. Die Schule in der Gemeinde El Mirador, Boca del Monte setzt ihre Aktivitäten bis heute fort, nimmt Kinder im Alter von 4 bis 15 Jahren auf und gibt ihnen die Chance, eine bessere Zukunft anzustreben.

Guatemala litt 36 Jahre lang unter einem Bürgerkrieg. Viele unserer Brüder und Schwestern flohen nach Mexiko, um ihr Leben zu retten. Als die Friedens- und Waffenstillstandsgesprä­che begannen, gehörte Bischof Horacio zusammen mit anderen Kirchenführern der Gruppe „Zivilgesellschaft“ an, die den religiösen Bereich bei den Friedensverhandlungen vertrat. Im Rahmen dieser Mission besuchte der Bischof Flüchtlingslager in Mexiko und half unseren Brüdern und Schwestern bei den not­wendigen Formalitäten zur Rückkehr nach Guatemala. Sie woll­ten in ihr Heimatland zurückkehren, was aber nicht geschah. Erst 1996 kehrten sie zurück und ließen sich an Orten nieder, die ihnen von der Regierung zugewiesen wurden. Da die ILAG unseren Landsleuten bei der Rückkehr half, baten einige dieser Brüder und Schwestern darum, zur ILAG zu gehören. Diese Unterstützung begann 1998 in der Gemeinde La Esmeralda, in der Nähe von Dolores, Petén. Bis heute gibt es 14 weitere Grup­pen von Brüdern und Schwestern, die während des bewaffneten Konflikts vertrieben wurden. Diese Gemeinschaften gehören heute zu den Gemeinden der ILAG.

In dem Maße, in dem die Gemeinden erfahren, dass die ILAG mit Personen arbeitet, die allen Menschen das Evan­gelium weitergeben und regelmäßig die Gemeinden besuchen, wächst die ILAG weiter und öffnet jedes Jahr die Tür zu mehr Kirchen und Missionsstationen. Die Leitlinie der ILAG besteht darin, seelsorgerische Besu­che und soziale Unterstüt­zung anzubieten, um zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen beizutragen. Das Zentrum der ILAG ist Chris­tus, und von diesem Zentrum aus wird versucht, das Leben aller Mitglieder und ihrer Gemeinden zu verbessern: Dabei geht es um geistige und materielle Stärkung, persönliche Entwicklung, emotionale Festigung und größere Produktivität.

Die ILAG besteht aus rund 3.000 Mitgliedern in 18 Gemeinden in Guatemala-Stadt und in abgelegenen Gemeinden in den Departements Ixcán Quiché, Cobán, Alta Verapaz und Petén. 95 % ihrer Mitglieder gehören dem einheimischen Volk der Qeqchi an, 5 % anderen einheimischen Sprachgruppen wie Quiché Ixil, Canjobal u.a. In den Gemeinden bestehen Grup­pen für Frauen, Jugend und Kinder, für Musik und Gesundheit. Bildung ist für die ILAG von grundlegender Bedeutung, denn durch Bildung werden die Menschen gestärkt und erhalten das nötige Rüstzeug, um ihre Talente zu entdecken und ein besseres Leben anzustreben.

Im Februar 2014 trat Bischof Horacio in den Ruhestand und Pastorin Karen Castillo wurde zur Präsidentin der ILAG gewählt.

 Karen Castillo

 

Guatemala aktuell

Der Ende August in einer Stichwahl zum Präsidenten gewählte Vertreter der progressiven Partei Movimiento Semilla, Bernardo Arévalo, tritt für den politischen Wandel und das Ende der ruinösen Korruption ein und ist damit eine Gefahr für die traditionellen Eliten. Sie stellen die Legitimität seiner Kandidatur infrage und setzen die Justiz unter Druck, das Ergebnis der Wahl nicht anzuerkennen. Seit Anfang Oktober protestiert eine breite Bewegung der Zivilgesellschaft gegen alle Bemühungen, Arévalos Amtsantritt zu verhindern. Landes­weite Straßenblockaden geben den Forderungen Nachdruck. Bewaffnete Gruppen und Polizeieinheiten versuchen die Proteste aufzulösen. Es kommt zu Spannungen und zu Gewalttätigkeiten. Die amerikanische Regierung setzt sich gemeinsam mit der EU und der UNO für den friedlichen Politikwechsel in Guatemala ein. Karen Castillo, die Präsidentin der Lutherisch-Augustinischen Kirche in Guatemala (ILAG), schickte den Partnerkirchen einen Brief, in dem es heißt:

„Liebe Pastorinnen und Pastoren, Schwestern und Brüder: Mit großer Sorge wenden wir uns an Sie, um Sie um Ihr Gebet zu bitten und auf die Probleme aufmerksam zu machen, mit denen Guatemala zur Zeit konfrontiert ist. Aus Sicherheitsgründen hat die ILAG als solche keine öffentliche Erklärung abgegeben. Die Situation, in der wir uns befinden, ist sehr heikel. Lasst uns für Frieden und Gerechtigkeit beten.“

Kurz gemeldet von Wolfgang Döbrich